Geschichte der Familie Roosen

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Roosenhaus Elbchaussee 388

Roosenhaus Elbchaussee 388

ROOSENS GÄRTEN IN NIENSTEDTEN
Unter den ältesten Landhäusern an der Elbchaussee, die heute noch erhalten sind, fällt in Nienstedten das Landhaus Roosen durch seine schlichte, schöne, Fassade auf (Nr.388) : ein zweigeschossiges Haus mit sieben Fenstern Front, von Bäumen und Sträuchern gefällig umrahmt. Die drei mittleren Fenster bilden eine von einer wohlgeformten Attika gekrönte Wandfläche. Vor dem Erdgeschoß befindet sich in gleicher Breite eine säulentragende Veranda. Davor lag im Rasen ein ovaler Teich, der 1909 zugeschüttet wurde.
Das Innere des 1798 von Berend III Roosen erbauten Hauses ist bis 1909 fast unverändert geblieben. Auch das Mobiliar war bis dahin noch großenteils das ursprüngliche. Es war ein typisches bürgerliches Sommerhaus. Man betrat es an der Vorderseite durch das mittlere große Verandazimmer, das von zwei anderen Räumen flankiert war. Hinter diesem lag die Diele, zu deren rechter Seite die Küche mit offenem Herdfeuer. Nach hinten lagen die Wirt Geschäftsräume und Kammern. In der Mitte der Diele führte die Treppe zum ersten Stockwerk. Dort befand sich u. a. nach hinten ein großer Speisesaal.
Haus wie Vordergarten trugen des Gepräge puritanischer Einfachheit. Der Hintergarten, ein großer Obstgarten, endete in Gemüseland an der Dorfstraße. Die mit einem Landwirtschaftsbetrieb verbundene ursprünglich sehr große Besitzung bestand aus dem Garten (Elbchaussee 388 bis 392) mit dem Elbabhang davor und erstreckte sich westlich bis an die Georg-Bonne-Straße. Auch das Gelände, auf dem heute die Elbschloß-Brauerei steht (vormals Baurs "Schlößchen"), gehörte zu dem Besitz, ferner die stattliche Koppel Hummelsbüttel.
Vor Roosen besaß einen großen Teil seines Grund und Bodens der Nienstedtener Bauernvogt Peter Groth.. Von ihm hatte Roosen um 1798 die Hauptteile seines Besitzes erworben.
Berend Roosen III (1757-1820), ein Sohn des Kaufmanns und Reeders Salomon Roosen, war gleichfalls Kaufmann, Reeder und Assekuradeur, übernahm das väterliche Geschäft und führte es unter der Firma Berend Roosen Sal. Sohn in Hamburg, am Neuen Wall 82-84, fort. Er wurde 1805 Diakon der Mennonitengemeinde und war mit Elisabeth de Voss, einer Tochter des Altonaer Brauereibesitzers Peter de Voss VI, vermählt. Seine Witwe überlebte ihn 22 Jahre. Sie hatte im Sommer von ihren zwei Söhnen und drei Töchtern stets einige mit deren Ehegatten und Kindern bei sich wohnen. Bei den Roosens wie den anderen Mennoniten herrschte besondere Einfachheit. Man scheute selbst im Hause keine Arbeit, war in der ganzen Lebensauffassung sehr streng, betätigte sich aber auch in dem Sinne, den man heute mit sozialem Gewissen bezeichnet, sehr nachdrücklich.
Der Baumeister des von Berend Roosen geschaffenen Landhauscs ist Sonnin, der auch die Michaeliskirche erbaute. Es ist außen mit Holz verkleidet und in grauer Tönung gehalten. Eine ähnliche Holzverkleidung zeigten auch das alte Vidalsche und das Herzoglich Augustenburger Haus in der Nachbarschaft. An die Rückfront war eine Art hochgiebliges Bauernhaus gefügt. Einen ähnlichen Anbau zeigte das Augustenburger Nachbarhaus. In weiterer Umgebung weist fast die gleiche Bauart ein altes Landhaus in Schwarzenbek auf, das sich unmittelbar nördlich der Abzweigung der Oldesloer Linie von der Eisenbahnstrecke Büchen-Bergedorf erhebt.
1808 rückten französische und spanische Truppen in die Gegend, und 1813 erhielt Nienstedten im Winter Einquartierung von Kosaken. Im Roosenschen Hause sollen sie im Gartenzimmer gelagert haben, und es soll vieles dabei zertrümmert worden sein. Noch nach Jahren wurde, wenn ein Gegenstand vermißt oder beschädigt gefunden wurde, von den Dienstboten die Entschuldigung angeführt: "Ach, dat hebbt all de Kosaken daan."
Südöstlich von dem Landhaus lag, hart an der Chaussee und ebenfalls zu Berend Roosens Besitzung gehörig, ein kleines, behaglich-altmodisches Haus, das Berend Roosen schon vorfand, als er 1798 das Gesamtgelände von dem Bauernvogt Peter Groth erwarb. Es war das Haus des Sprachlehrers H. Moller, der 1793 von Groth ein kleines Stück Land gekauft und auf diesem ein schlichtes Giebelhaus errichtet hatte. Das Anwesen (Elbchaussee 386) ging 1798 ebenfalls auf Roosen über. Es zeigte an der Straßenfront eine Lindenbaumreihe, und zu ihm gehörte ein weitläufiger Garten, der bis an die heutige Georg-Bonne-Straße reichte. Dieses Gebäude übernahm Berend Roosens ältester Sohn Salomon Roosen (1793-1864) und bewohnte es mit seiner Familie. Salomon war wie der Vater Kaufmann und Reeder; er setzte mit seinem Bruder Berend Roosen V (1795-1860) das väterliche Geschäft unter der Firma Salomon & Berend Roosen fort und wohnte im Winter in Hamburg am Neuen Wall 84. Sein Bruder Berend wohnte Nr. 82. Beide Brüder wurden gleichfalls Diakonen der Mennonitengemeinde. Sie betrieben die Reederei mit etwa sechs Segelschiffen und unterhielten lebhafte Verbindungen mit den Ostseeländern.
Nach dem Tode Salomon Roosens behielt dessen Witwe das Anwesen bis zu ihrem Ableben 1872. Danach verkauften die Erben das Grundstück. In der Folgezeit wurde das alte Haus abgebrochen und ein neues Haus aufgeführt (ungefähr in gleicher Höhe mit dem 1798 von Berend Roosen III errichteten Landhaus). Es handelt sich um eine geräumige, mit äußerem Zierart prunkende Villa, die im Geschmack der damaligen Jahre durch ihr leeres Pathos sich nicht gerade erfreulich von den schönen benachbarten Besitzungen abhebt. 1883 erwarb sie der Kaufmann Augustus Friedrich Vorwerk, der dritte Sohn von Georg Friedrich Vorwerk. A. Fr. Vorwerk war Kaufmann und war vermählt mit Josepha Klee, der Tochter des Oberamtsrichters Otto Aug. Wilh. Klee in Ahlden, nach der er das Nienstedtener Landhaus Villa Josephao nannte. Den Hauptteil des Roosenschen Landsitzes, also Berend Roosens III Besitzung, übernahmen nach dem Tode der alten Madame Roosen ihre beiden Töchter Fräulein Johanna Roosen und Frau Maria Roosen, geb. Roosen, die mit einem entfernten Verwandten, Herman Roosen (1786-1864), verheiratet war. Dieser war Kaufmann und Reeder; ihm gehörte u. a. die Werft am Reiherstieg, die er 1849 verkaufte. Er wohnte in Hamburg an den Vorsetzen 4, im Kranichhaus, wo sich auch sein Kontor befand. Er war mit seinem Vetter Berend Roosen IV assoziirt in der Firma Berend & Herman Roosen juniores. Um in die Stadt zu gelangen, bedienten sich die Herren in jener Zeit meistens ihrer Reitpferde. Herman Roosen ritt noch mit 74. Jahren täglich in die Stadt.
In dem im letzten Kriege zerstörten Kranichhaus wohnte auch schon ein früherer Berend Roosen, nach dem die 1773 erbaute Roosenbrücke in Hamburg ihren Namen trägt. Er hatte nicht nur das schmiedeeiserne, mit Rosen durchflochtene Gitter gestiftet, sondern auch wesentlich zu den Kosten der Brücke beigetragen. Wie man sagt, wollte er sich durch den Bau dieser Brücke den Umweg über den Schaarsteinweg ersparen, wenn er von seiner Wohnung an den Vorsetzen aus seine am Baumwall wohnende Tochter besuchte.
Nach dem Tode von Herman Roosens Witwe Maria, gelangte der Nienstedtener Besitz an deren jüngeren Sohn Johannes Roosen (1824-1907): ebenfalls Reeder, der aber sein Geschäft früh aufgab und als Privatmann lebte. Er bewohnte im Winter sein Haus am Neuen Jungfernstieg 13 und war verheiratet mit seiner Kusine Johanna Roosen, einer Tochter von B. Paulus Roosen. Der mit dem Nienstedtener Landsitz verbundene landwirtschaftliche Betrieb war bis um 1890 noch immer recht bedeutend. Es wurden u. a. etwa zwölf Kühe gehalten. 1890 verkaufte Johannes Roosen von seinen Landstücken die Koppel Hummelsbüttel an der Elbchaussee an den in Hamburg lebenden Londoner Bankier Augustus F. Brandt und ungefähr um dieselbe Zeit die Stücke Hohefeld und Sandstück an der Eisenbahn an F. Loesener (in Firma Rob. M. Sloman jun.), der dort das Villenviertel Hochkamp anlegte. Die andern Parzellen sind früher oder später abgestoßen worden. Um I8~o ließ Johannes Roosen die steinernen Vorsetzen am Elbabhang, gegen den Strand zu, bauen. Diese Maßnahme zum Schutz des Elbabhanges trafen zur selben Zeit die meisten Anwohner der Elbe. Johannes Roosen starb 1907, seine Frau 1908. Nach seinem Tode verkauften die Erben den alten Landsitz an Fr. Vorwerk, der ihn mit seinem Garten verband. Neben die Eingangstür des alten Roosenschen Hauses ließ Fr. Vorwerk die Inschrift setzen: "Roosenhof 1798-1909 im Besitz der Familie Roosen."
1938 ging das Haus von den Vorwerkschen Erben an den Hamburger Kaufmann F. G. Schlickenrieder über. Nach gründlicher Renovierung - es hatte jahrelang leergestanden - wurde es neu möbliert, so geschmackvoll, daß die Ausstattung der Räume qualitativ wohl mit der Wohnkultur zur Zeit der Glanzzeit der Elbchaussee Schritt halten kann. Eine Sammlung berühmter Gemälde und vieler Antiquitäten gibt dem Haus überdies eine besondere Note. Hierbei mag auch die französische Seidentapete im Speisezimmer erwähnt werden, die noch aus der Zeit der Errichtung des Hauses (um 1798) stammt.