Geschichte der Familie Roosen

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Roosenspark in Othmarschen

Roosenspark in Othmarschen

ROOSENS GÄRTEN IN OTHMARSCHEN


Nördlich der Chaussee, etwa in der Höhe der Schröderschen Landsitze, lag der große Roosensche Garten. Er reichte bis zu der Schmuckanlage der heutigen Othmarscher Christuskirche und bis zu den Villen an der Emkendorfstraße, deren Gelände ursprünglich ein Teil des Gartens war. Südlich dehnte sich der Garten bis zur Ansorgestraße, und in dieser Südhälfte hat er noch bis zum Jahre I934 bestanden. Er ging zurück auf den Hamburger Kaufmann Cornelius Wilhelm Poppe (i775-I838), einen Sohn des gleichnamigen Senators und Bürgermeisters. Poppe war Kaufmann, bekleidete mehrere städtische Ämter, war i8o3 Kriegskommissar, i 8 z 3 Militärkommissarl24 und besaß gemeinsam mit dem auch sonst in Othmarschen über Grundbesitz verfügenden Ludwig J. P. F. Kunstmann den im Dorfe liegenden Kamp Eckholt mit den darauf stehenden Gebäuden, einer Torfparzelle und einer Kirchenstelle (d. h. Anrecht auf einen Kirchenstuhl in der Kirche zu Ottensen). Nach Kunstmanns Tode, 1816, hatte er das Anwesen allein inne.
Im Jahre 1833 verkaufte er den gesamten, sehr gepflegten Besitz an den Hamburger Berend Paulus Roosen (1792-1875). Das Wohnhaus, das bereits von Poppe erbaut worden war, stand im Süden des Gartens (Ansorgestraße 26). Es wurde, wie bei den alten Hamburger Landhäusern üblich, die ohne Windfang waren, durch das sogenannte Gartenzimmer betreten. Hinter dem Wohnhaus dehnte sich der große Park, dessen herrlicher alter Baumbestand noch heute, wo er längst parzelliert ist, in den hier entstandenen Einzelgrundstücken gut erkennbar ist. An der Ostseite lag ein malerischer Teich, an den sich, durch zwei Kanäle verbunden, westlichein zweiter Weiher anschloß. Der Teich diente den Kindern zu Ruderfahrten. Der südliche Teil des Gartens, auf dem sich heute die Kirche erhebt, wurde das Gehölz genanntl2s. B. P. Roosen, ein Sohn des Kaufmanns Berend Roosen (1749.-1827), des ehemaligen Besitzers der Dockenhudener Bost, war vermählt mit einer Tochter des Altonaer Brauereibesitzers Herman de Voss und lebte sehr zurückgezogen. Im Winter bewohnte er bis zum Hamburger Brand, I8q.z, sein Haus am Jungfernstieg 22 (an der Stelle der heutigen Dresdner Bank), nach dem Brand das Haus Neuer Jungfernstieg, jetzt Hotel Vier Jahreszeiten.
Als er 1875 gestorben war, übernahm sein Sohn Berend Otto Roosen (1832-1912) den Landsitz. B. O. Roosen war Architekt und Inhaber einer Schmelztiegelfabrik in Bahrenfeld. Auch war er Diakon der Mennonitengemeinde. Auf der Koppel zwischen Ansorge- und Bernadottestraße wurde von ihm ein Garten angelegt und ein Haus gebaut (heute Roosens Weg 5), das seiner Schwester Marie Roosen als Sommerwohnung diente. B. O. Roosen und seine Frau Charlotte, geb. Timm, hatten sechs Kinder und führten ein geselliges Leben, so daß der Othmarscher Garten manchem aus dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts in froher Erinnerung geblieben war. Zu dem B. O. Roosenschen Kreise gehörten u. a. der Maler Valentin Ruths, der Bildhauer Duyffcke, der Konzertmeister Bargheer und der Professor am Konservatorium von Holten. Im Winter wurden in der Stadtwohnung musikalische Aufführungen veranstaltet.
Als um 1900 die Stadt Altona die Durchlegung einer Straße durch den Roosenschen Garten plante, die als heutiger Othmarscher Kirchenweg/Kleinflottbeker Weg nach Zuschüttung des hinteren Teiches ausgeführt wurde, verkaufte B. O. Roosen den nördlich dieses Straßenzuges liegenden Teil seines Gartens an Conrad Hinrich von Donner, der dort die Othmarscher Kirche und das Missionshaus erbauen ließ. Das Ehepaar Roosen, das seit 1900 auch im Winter in Othmarschen wohnte, konnte 1910 daselbst seine goldene Hochzeit feiern. B. O. Roosen starb 1912, seine Frau Charlotte 1919. Nach ihrem Tode verkauften die Erben den Garten mit dem Haus an Unger. Das Gartengelände, auf dem der vordere Teich gelegen hatte, wurde schon kurz vorher an den Hamburger Zigarrenfabrikanten Wolff veräußert, der dort ein Haus baute, das später E. von Spreckelsen gehörte.
Dem Roosenschen Garten benachbart war im Süden ein weiterer großer Garten, der sich durch hübsche Teichpartien und schöne Baumgruppen auszeichnete. Das parkartige Grundstück mit einem schön eingerichteten Wohnhaus gehörte ehedem nacheinander den Bankierfamilien Lieben-Königswarter und Dr. Beit. Herr Lieben-Königswarter war ein Mitglied der bekannten Bankierfamilie Königswarter in Frankfurt und Wien und leitete hier ein Hamburger Bankhaus als Zweigstelle des Königswarterschen Unternehmens. Er und seine Frau waren strenge Juden im alten Glauben. Sie waren beide äußerst wohltätig. Als Witwe trieb die Frau die Wohltätigkeit in solchem Maße, daß der Testamentsvollstrecker einschreiten mußte. Das Ehepaar wurde auf dem Israelitischen Friedhof an der Sternschanze beigesetzt. Da auf den Grabsteinen nur hebräische Lettern standen, fiel das auf der Gedenktafel Lieben-Königswarter angebrachte Goethe-Wort in lateinischer Schrift "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut besonders au£ In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg wurde der Friedhof aufgelöst, das Gelände bebaut.
Danach bewohnte den Landsitz die Familie Dr. Beit mit ihren Kindern. Von den Söhnen erfreuten sich hier eines schönen Jugendaufenthaltes Gustav Beit (später i. Fa. Beit & Philippi, Chem. Fabriken und Buch- u. Steindruck-Farbenfabrik, Import von Chilesalpeter). Er war ein großer Sportsmann und Gründer des Hamburger Sport-Clubs. Ihm war wesentlich die Anlage einer Rennbahn in Groß-Borstel zu verdanken. Bedeutende Mittel für die damalige Hamburger Sportanlage stellte auch Gustav Beits Vetter Alfred Beit in London zur Verfügung, der einer der reichsten Männer der Welt war und noch vermögender als Rockefeller gewesen sein soll. Gustav Beits Brüder waren Ferdinand Beit, der später mit dem Senator Alfred Michahelles in der Firma Gebrüder Michahelles zusammenarbeitete, und Dr. Carl Beit, der gleichfalls in der Firma Beit & Philippi tätig war. Ein dritter Bruder wurde Teil Inhaber des Bankhauses Speyer, Elissen & Co. und wurde vom Kaiser Wilhelm II. unter den Namen Beit von Speyer geadelt.
Beits gaben I883 das Othmarscher Grundstück auf, und die alte Frau Dr. Beit erwarb dafür an der Alster das Grundstück Harvestehuder Weg 13, wo sie ein stattliches Haus erbauen ließ. Das Anwesen ging an den Hamburger Kaufmann und nachmaligen Senator Rudolph Roosen (1830-1907) über, der bis 1893 Mitinhaber der Firma Salomon & Berend Roosen war. 1871-1881 war ex Mitglied der Baudeputation und 1881-1890 der Finanzdeputation; seit 1877 saß er in der Bürgerschaft. 1890 ging der Garten nach kurzem Zwischenbesitz durch einen Herrn Stavenow auf den Altonaer Kaufmann Ernst August Wriedt über. Dieser ließ den Garten parzellieren und durch das Grundstück eine Straße anlegen, die nach ihm den Namen Ernst-August-Straße erhielt. Das alte Wohnhaus hat den zweiten Weltkrieg überdauert und steht noch heute (Ernst-August-Straße 24).